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vom 16.07.2009:

Wikinger fallen wieder in Norddeich ein
Zum sechsten Mal bauen die nordischen Krieger auf der Drachenwiese ihre Zelte auf
Das Wikingerlager ist ab heute und noch bis zum kommenden Montag. Besucher können die Geschichte und Kultur der Nordmänner hautnah erleben.

Von Katrin Schönfeld

- NORDDEICH - Vor 1125 Jahren wurden laut Legende mehr als 10000 Wikinger bei der "Schlacht von Nordendi" (Hilgenrieder Bucht bei Norddeich) von den Friesen niedergemetzelt. Nun kommen die rauflustigen Krieger wieder zurück: Ab heute und noch bis zum komm enden Montag fallen die Wikinger am Strand von Norddeich ein. Gekämpft wird dort aber nur zur Schau. Vielmehr schlagen die Wikinger auf der Drachenwiese ihr Lager auf und präsentieren unter anderem historisches Handwerk.
Matthias "Waigri" Habeck wird die Kampfkünste der Wikinger präsentieren.
Beim Aufbau des Lagers am Mittwoch gab er schon mal einen Einblick in die richtige Technik.


Es ist bereits das sechste Wikingerlager. Diesmal kampieren die Mitwirkenden erstmals fünf Tage lang am hiesigen Strand. Der Grund: "Viele Gäste haben ihren Urlaub gezielt gebucht, damit sie zum Wikingerlager gehen können", erklärt Kai Koch, Marketingleiter der Kurverwaltung. Und um das vielen Gästen zu ermöglichen, sei der sonnabendliche Bettenwechsel mit eingeplant und deswegen die Veranstaltung um zwei Tage verlängert worden.

'In mehr als 50 Zelten präsentieren die etwa 65 Mitwirkenden historisches Handwerk wie Truhenbau, Schmieden oder Lederverarbeitung. So wie Uwe "Graubart" David. Der 62-Jährige, der vom Bodensee angereist ist, zeigt handgefertigte Messer sowie Nähzubehör und Schmuck aus Knochen.

Auch ein nachgebautes Wikingerschiff kann man besichtigen. Der Höhepunkt wird wieder die nachgestellte Schlacht von Nordendi, bei der mehr als 30 Krieger in historischer Kleidung kämpfen werden. Jeweils abends ab 22 Uhr gibt es eine Feuershow mit anschließendem Feuerlauf über die 800 Grad heiße Glut eines Holzstapels. Das kann jeder Interessierte selbst ausprobieren. Damit die Gäste bestens darauf vorbereitet sind, gibt es ab 18 Uhr ein Seminar.

vom 22.07.2009:

Wismarer lebten wie die Wikinger

Von Ole Winter

- Wismar – Kochen über dem offenen Feuer, schlafen auf Stroh: Die vierköpfige Familie Hollatz aus Wismar unternahm eine Zeitreise und versuchte, ein paar Tage (fast) wie die Wikinger vor 1000 Jahren zu leben..
Ungeschminkt, vom Wind gekämmt und „gewandet“ als stolze Wikingerin: Journalistin und Fotografin Nicole Hollatz.
Im Hintergrund die Kochstelle, auf der das Essen zubereitet wurde.


„Das ist unser Familienhobby, wir sind Darsteller für die Zeit der Wikinger“, erklärt Bootsbauer Sebastian Hollatz (30) aus Wismar. Zusammen mit den beiden vierjährigen Töchtern Lina und Merle sowie Ehefrau Nicole (30) ist er grade aus Norddeich bei Emden von einem großen Wikingermarkt heimgekehrt. Der befand sich direkt an der Nordsee, mit viel Wind, viel Regen, viel Sonne und der rauen Natur herum. Während andere Urlaub am Strand machen und sich erholen, unternahm Familie Hollatz eine mitunter anstrengende Zeitreise.

Handgenähtes Leinenkleid, dicke Wollschürze, Fellweste und Kopftuch – so würden wohl die wenigsten die Journalistin und Fotografin Nicole Hollatz wieder erkennen. „Es ist einfach schön, kurzzeitig mal ganz reduziert zu leben – kein Handy, kein Fernseher, kein unnötiger Luxus“, versucht sie, den sehr eigenen Reiz der Zeitreise zu erklären. Und vor allen Dingen: Es gab ganz wenig Spielzeug für die Kinder und das Staunen der Erwachsenen darüber, wie sehr das die Fantasie anregt.

Feuer machen, kochen, dafür sorgen, dass das Feuer nicht ausgeht, das waren die wichtigsten Aufgaben während der fünf Tage. Dazwischen zeigten Nicole und Sebastian Jahrtausende altes Handwerk – Nicole spann Schafwolle mit einer Handspindel. „Nicht nur Kinder, auch viele Erwachsene wissen nicht, was eine Spindel eigentlich ist“, schüttelt sie den Kopf über manch einen Marktbesucher, der seinen Kindern erzählte: „Guck mal, die Frau filzt.“ Geduldig erklärte Nicole Hollatz die Technik des Spinnens. Sie ließ die Kinder Schafwolle berühren, viele taten das erstmals in ihrem Leben. Und sie erzählte die Geschichte von Dornröschen und der Spindel.

Ihr Mann Sebastian hatte mehr zu zeigen und zu berichten. Denn er hatte – ganz unmittelalterlich auf einem Trailer – seinen Nachbau eines Wikingerbootes mitgebracht. Mehrmals täglich hielt er Fachvorträge für die Gäste des Marktes und beantwortete immer wieder die gleichen Fragen. „Die Menschen wollen immer wieder wissen, ob das Boot auch wirklich schwimmt“, sagt er. Seine Frau fügt hinzu, was die Leute noch interessiert: „Ob wir wirklich in den Zelten schlafen oder das, was wir über dem Feuer kochen, auch wirklich essen. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass ein einfacher Mehlflinsen traumhaft schmeckt, wenn man Hunger hat, und dass Leinenzelte mindestens genauso wasserdicht sind wie moderne aus Kunstfasern.“

Experimentelle Archäologie mit einer Portion Abenteuerlust – gerade für Nicole Hollatz war es ein großes Abenteuer. Denn sie machte ihren ersten „Feuerlauf“ mit. Eine Tradition, die noch viel älter als die der Wikinger ist. „Ich musste meine ganz ureigene Angst vor dem Feuer überwinden und über 800 Grad Celsius heiße und rot leuchtende Glut laufen“, berichtet die junge Frau. Sich Konzentrieren, tief Luft holen, zwei Schritte barfuß durchs Gras gehen und dann einfach durch die Glut. Nicole Hollatz hatte den Mut: „Schlimm war nur die Angst davor, nicht das Erlebnis selbst.“
     

vom 19.07.2009:

Wikinger schlagen Lager in Norddeich auf
Rauflustige Nordmänner erwarten Besucher noch bis Montag / Aussteller zeigen das Leben vor 1000 Jahren

Norden-Norddeich. Es ist das Jahr 884. Wikinger steuern mit ihren schnittigen Langbooten auf die Hilgenrieder Bucht nahe der heutigen Stadt Norden zu. Große Teile der europäischen Küstenbevölkerung leben in Angst und Schrecken vor den ständigen Attacken der Normannen. Sie rauben, was ihnen in die Finger kommt, morden und brandschatzen. Nur die Warfenfriesen wollen sich nicht geschlagen geben. Es kommt zur Schlacht von Nordendi..

Bereits zum sechsten Mal hat Hjalti das Wikingerlager in Norden-Norddeich organisiert. Der 41-Jährige Cottbuser bezeichnet sich selbst als "Berufswikinger". Dazu gehört auch ein stilgerechtes Äußeres: Lange schwarze Haare und ein nicht minder langer Bart sorgen für die passende Optik.

Schuhe braucht er nicht
Seine Kleidung besteht einzig aus einem braunen Stoffüberwurf. Das muss reichen. Schuhe braucht er nicht. "Seit Mitte der 90er-Jahre bin ich in der Wikinger-Szene", sagt Hjalti. 1998 habe er zum ersten Mal ein Lager organisiert. "Wir haben unser Hobby zum Beruf gemacht", sagt Vera Schaaf, Hjaltis Partnerin im Ortga-Team, während sie über dem offenen Feuer Fladenbrot zubereitet.

Auf der Drachenwiese direkt am Strand sind etwa fünfzig Zelte aufgebaut, alle originalgetreu nach Wikingerart. Während rechts und links des hermetisch abgeriegelten Lagers die Touristen ihre Lenkdrachen steigen lassen, werden innerhalb der Umzäunung die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung getroffen. Es wird gebaut, gehämmert und gesägt - mit Wikinger-Werkzeug versteht sich. Hilfreich ist dabei die Axt. Nicht nur zum Schlagen von Feuerholz, auch als Hammerersatz ist sie geeignet.

Pünktlich zur Öffnung der Tore um 13 Uhr ertönen im Lager mittelalterliche Musikklänge. Die "Spielleut Irregang" haben zu ihren Instrumenten gegriffen. Mit Dudelsack, einer großen Umhängetrommel, der sogenannten Davul, und einer Zither ausstaffiert, marschiert das Trio durch das Lager. "Über Wikinger-Musik ist wenig überliefert", sagt "Pfeifer Felix", einer der drei Musiker, "aber unsere Lieder passen ja auch in die Zeit." Ihre Instrumente sind originalgetreue Nachbauten mittelalterlicher Musikinstrumente. Das Spielen haben sie sich selbst beigebracht. An jedem Wochenende sind die drei thüringischen Musiker in einer anderen Stadt und spielen auf Burg- und Lagerfesten.

Im wahren Leben ist Sebastian Hollatz Bootsbauer. Aber auch in seiner Freizeit kann er nicht von Schiffen lassen. Er hat ein sechseinhalb Meter langes Wikinger-Schiff, wie es vor etwa 1000 Jahren benutzt wurde, originalgetreu nachgebaut. "Diese Flachwasserboote wurden vor allem für den Transport von Waren, Personen und Tieren genutzt", erklärt der Experte. "Hochseetauglich waren sie nicht." Hollatz hat sein Boot aus Lärchenholz gebaut. Nur der Kiel ist aus Eiche. "Ein besonders hartes und strapazierfähiges Holz", sagt der Bootsbauer. Zur Versiegelung verwendeten die Wikinger Öle und Teer. Diese Schiffe waren auch vor 1000 Jahren schon schnell zu bauen und dazu besonders leicht. "Gerade mal 250 Kilogramm wiegt dieses Boot", sagt Hollatz. Die Besatzung habe diese Schiffe zur Not auch an Land um Hindernisse herumtragen können. Trotz der schnellen und leichten Bauweise konnten diese
 
Boote immerhin 800 Kilogramm zuladen.

Als mittelalterlicher Gaukler zieht "Götz von B." durch die Lande. Er gehört schon fast zum Stammpersonal des Wikingerlagers in Norddeich. Zum sechsten Mal ist er dabei. Mit "Gaukelei und Jonglage" unterhält er sein Publikum. Er jongliert mit fünf Bällen und brennenden Fackeln, dazu immer einen frechen Spruch auf den Lippen. Schon zum zweiten Mal feiert er seinen Geburtstag im Wikingerlager. An diesem Tag wird er 33 Jahre alt.

Mittelalterlich ist auch die Verpflegung der Lager-Besucher. Zum Stockbrot wird Met und Honigbier, serviert. Der Alkoholgehalt von Met ist dabei nicht zu unterschätzen. Er kann bis zu 16 Volumenprozent betragen. Anstoßen können die Besucher stilecht mit Trinkhörnern oder mittelalterlichen Trinkbechern.

Wettstreit im Axtwerfen
An den Ständen präsentieren Aussteller selten gewordene Handwerkskunst: Sie reicht vom Schmieden, über das Holz- und Hornschnitzen, bis hin zum textilen Handwerk. Beim Axt- und Speerwerfen können Hobbywikinger ihre Treffgenauigkeit unter Beweis stellen.

Am späten Nachmittag beginnt die Vorführung normannischer Kampftechniken. Darsteller in originalgetreuen Rüstungen erscheinen auf dem Lagerplatz. Ihre Waffen sind aus Stahl mit abgerundeten Spitzen und entschärften Schlagkanten. Geschützt sind die Krieger mit Rüstungen, Helmen und Schilden. Unter lautem Gebrüll schlagen die Wikinger mit Äxten, Säbeln, Schwerten und Speeren aufeinander ein.

Wer sich den Wikinger mit seitlich am Helm befestigten Hörnern vorstellt, ist einem Klischee aufgesessen. "Diese Hörner wären im Kampf nur hinderlich gewesen. So etwas hat es bei den Wikingern nie gegeben", erklärt einer der Kämpfer. Chancenlos sind die kampferprobten Krieger allerdings gegen den Angriff der Kinder. Zahlenmäßig weit überlegen, überrennt die wilde Horde die Phalanx der Normannen.

Genauso chancenlos waren auch die echten Wikinger im Jahr 884. In der Schlacht von Nordendi mussten sie gegen die Warfenfriesen eine schwere Niederlage einstecken. Angeführt von Erzbischof Rembertus von Bremen besiegten die Friesen ihre nordischen Gegner. 10 377 Wikinger sollen bei der legendären Schlacht ihr Leben gelassen haben. So steht es in den zeitgenössischen Aufzeichnungen Adam von Bremens geschrieben.

Von Daniel Goerke

vom 20. Juli 2009:

"Auch bei den Wikingern gab es Punks"
Seit Donnerstag wird am Strand in Norddeich die Wikingerzeit dargestellt.
Am Wochenende kamen einige hundert Zuschauer und wurden mit einem bunten Programm unterhalten.

Von BERND-VOLKER BRAHMS

- NORDDEICH - Das 6. Wikingerlager hat am vergangenen Wochenende einige hundert Zuschauer an den Strand in Norddeich gelockt. 50 Zelte waren auf der Drachenwiese aufgebaut. Mit einem bunten Programm wurden die Besucher unterhalten: mit Musik am Lagerfeuer, Jonglage, Gaukelei und der Darstellung von Waffen- und Kampftechniken. Hartnäckige Besucher konnten sogar eine Nacht im Zelt verbringen..
Sie versetzen sich gerne in die Zeit der Wikinger (von links): Sven Bäßler, Patricia Dombrowski und Sascha Pönicke beim Essen von Zwiebelsuppe. Bild:
Brahms


"Die Bewahrung des traditionellen Handwerks ist das Besondere an der Beschäftigung mit der Vergangenheit", sagte Sven Bäßler, der mit Töpferarbeiten in Norddeich vertreten war. Andere Darsteller präsentierten Holzschnitzen, Truhenbau, Schmiedearbeiten, Knochenschnitzen, Brettchenweben, Lederverarbeitung, Weben am Holzwebstuhl, Messer- und Holzschwerter-Herstellung sowie Rohhornbearbeitung.

Es sei ein ganz nettes Ambiente direkt am Wasser, sagte Sascha Pönicke aus Zwönitz, der das erste Mal beim Wikingerlager in Norddeich dabei war und dort mit Tierfell handelte. Es gebe allerdings bessere Umgebungen, um das Leben von vor über 1000 Jahren darzustellen. Beispielsweise gebe es in Dänemark ein Freilichtmuseum, das eben genau die Zeit der Wikinger präsentiere. In Deutschland sei es insbesondere Oerlinghausen, wo die Zeit in einem Freilichtmuseum am besten rübergebracht werde. "Die Euphorie ist seit ein paar Jahren vorbei", sagt Bäßler, der seit 15 Jahren zu Wikingerlagern fährt. Die Einnahmen reichen gerade um, die Fahrtkosten zu bezahlen. "Das ist reines Hobby geworden."
Dazu ein Video von ostfriesen.tv

siehe auch das Video für die RTL Produktion
Wissen X-akt
Zeitreise - Die Wikinger

 

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