Hamburger Abendblatt
Harburg
Wikinger in Jork - aber ganz friedlich
150 "Handwerker und Krieger" gaben am Wochenende Einblick
in das Lagerleben ihrer normannischen Vorbilder.

Von Uschi Tisson

Neuenschleuse - Mit lautem Geschrei stürmte am Wochenende eine Horde angsteinflößender Krieger vom Yachthafen her über den Deich auf Neuenschleuse zu. Die Waffen gezückt, hielt niemand mehr die Wikinger davon ab, das Hab und Gut der Elbbewohner rücksichtslos zu erobern. Doch zum Glück war die gespenstische Szene nur nachgespielt, denn ähnlich wie dieser Angriff, müssen sich die Überfälle der Wikinger in den Jahren 845 auf Hamburg und 994 auf Stade abgespielt haben.

Einer der Krieger, der sein Zelt auf der großen Wiese am Yachthafen aufgebaut hatte, war Joachim Cordes (37). Der Wilhelmsburger gehört zu den 150 Handwerkern und Kriegern, die am Sonnabend und Sonntag in friedlicher Mission das Lagerleben der Wikinger im frühen Mittelalter originalgetreu demonstrierten. Im normalen Leben betreibt Joachim, Spitzname "Aki", einen kleinen Metallhandwerksbetrieb am Jenerseitedeich 37 in Wilhelmsburg. Sein Firmenlogo "WMA" steht für "Wir machen alles". Und so entstand hier auch das schwere Kettenhemd aus 13 000 Ringen, das die Besucher des großen Wikingerfestes gebührend bestaunten.

Wie kommt man überhaupt darauf, ein Wikinger zu werden? "Ich habe mich schon als Kind sehr für Geschichte interessiert", sagt Aki und beschreibt den Werdegang seines Wikingerlebens. Immer mehr verbündete er sich mit der gelebten Vergangenheit und wurde Mitglied des größten internationalen Wikinger-Verbandes "The Jomsvikings". Ausgerüstet mit authentisch nachgebildetem Schild und Schwert traf er in Neuenschleuse auf Wikinger aus acht Nationen. "Das ist gelebte Geschichte", sagt er. Bei den Festivals schlüpft Aki in die Rolle des Wikingers und ist mit seinen originellen Schuhen, dem Helm und dem Überwurf einer von ihnen. "Alles, was wir hier besitzen, ist selbst angefertigt", sagte er. "Entweder von mir, oder von den Handwerkern, die auf dem Festival Kleidung und Schmuck verkaufen."

Nicht nur Männer gehören zu den "Jomsvikings". Die beiden Freundinnen Uta Röhrig (36) aus Hamburg-Barmbek und Silke Söhren (40) aus Dulsberg sind in ihrer Freizeit ebenfalls Wikinger und als ausgebildete Kampfsportlerinnen Mitglieder der "Army of Jomsburg. "Wer da mitmacht, muß besonders trainiert sein", sagt Aki. Von Uta und Silke weiß er sicher, daß sie qualifizierte "Kriegerinnen" sind: Aki ist offizieller Trainer der "Army of Jomsburg" und beide Frauen trainieren regelmäßig auf seinem Resthof in Wilhelmsburg. "Es macht viel Spaß, öfter einmal aus der Normalität herauszuschlüpfen", sagt Uta Röhrig. "Deshalb fällt es mir nach so einem Wochenende im Lager immer sehr schwer, wieder in die Zivilisation zurückzukehren."

Rolf Lühmann, Bürgermeister der Gemeinde Jork, freute sich über das auch für Touristen attraktiv gestaltete Fest. "Ich bin überzeugt davon, daß auch die echten Wikinger hier rasteten, bevor sie Hamburg überfielen", sagt er. In die Geschichte der Gemeinde Jork wird das Wikinger-Fest in Grünendeich zwar nicht eingehen. Bei den Besuchern wird es aber bleibenden Eindruck hinterlassen. Und auch Bürgermeister Lühmann war sehr zufrieden mit dem Verlauf des Festivals. Nur das Wetter hätte etwas besser mitspielen können. Ob es zukünftig noch mehr Wikinger geben wird, die in friedlicher Absicht in Jork einfallen, ist ungewiß. Eines steht jedoch für Rolf Lühmann fest: "Ich bleibe ein Altländer."

erschienen am 6. Juni 2005 in Harburg

 

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